Erbschaft: Die Steuer fällt nicht an, wenn das Testament widerrufen wird

Kassation: auch bei Vorliegen einer bereits eingereichten Erklärung
Mit dem Urteil Nr. 14063 vom 27. Mai 2025 hat der italienische Kassationsgerichtshof zu einer bislang unbeantworteten und nicht systematisch geklärten Frage Stellung genommen: Fällt Erbschaftsteuer auch dann an, wenn ein Testament später widerrufen wird und der ursprünglich eingesetzte Erbe die Erbschaft nie tatsächlich erwirbt?
Das Gericht beantwortete diese Frage negativ und bekräftigte damit einen Rechtsgrundsatz, der die Kohärenz zwischen Steuerrecht und Zivilrecht im Bereich der Erbfolge sicherstellt.
Der Einzelfall: Widerruf eines Testaments durch spätere Verfügungen
Der der Entscheidung zugrundeliegende Fall ist bezeichnend.
Eine Person, die in einem handschriftlichen Testament als Alleinerbe eingesetzt worden war, hatte formgerecht eine Erbschaftsteuererklärung eingereicht.
Später wurden jedoch zwei weitere handschriftliche Testamente veröffentlicht, die zu einem späteren Zeitpunkt datiert waren und eine andere Person als Erben einsetzten.
Gemäß Artikel 682 des italienischen Zivilgesetzbuchs (Codice Civile) führte dies zu einem konkludenten Widerruf der früheren Verfügungen aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem neueren Testament.
Trotzdem stellte die Agenzia delle Entrate dem ursprünglich eingesetzten Erben einen Bescheid über die Festsetzung der Erbschaftsteuer zu, gestützt auf die zuvor eingereichte Erklärung.
Der Steuerpflichtige focht den Bescheid an und machte geltend, dass der steuerliche Tatbestand nicht eingetreten sei, da er keine Erbenstellung mehr habe und kein Rechtsanspruch auf das Erbe bestehe.
Rechtsrahmen: Legislativdekret Nr. 346/1990 und der steuerliche Tatbestand
Artikel 1 Absatz 1 des Legislativdekrets Nr. 346 vom 31. Oktober 1990 (einheitlicher Text zur Erbschaft- und Schenkungsteuer – TUS) definiert den steuerlichen Tatbestand als: „die Übertragung von Vermögen und Rechten von Todes wegen“.
Der Wortlaut lässt jedoch offen, ob diese Übertragung:
- rein potenziell, also nur aufgrund der berufenen Erbenstellung, oder
- tatsächlich, also durch den konkreten Erwerb von Vermögen, erfolgt sein muss.
Die Verwaltungspraxis geht davon aus, dass die Einreichung der Steuererklärung und das Nichtausschlagen der Erbschaft für die Besteuerung genügen.
Doch die Rechtsprechung stellt klar: Eine bloße erbrechtliche Berufung genügt nicht, wenn der tatsächliche Erwerb fehlt.
Die Entscheidung des Gerichts: Rückwirkende Wirkung des Widerrufs und fehlende Steuerpflicht
Der Kassationsgerichtshof stellte fest: „Der Widerruf eines Testaments – auch konkludent – beseitigt rückwirkend (ex tunc) die Wirksamkeit früherer Verfügungen und damit die Erbenstellung der ursprünglich eingesetzten Person”.
Daraus ergibt sich, dass der steuerliche Tatbestand nicht verwirklicht wurde, denn:
- es erfolgte keine Übertragung von Todes wegen an den widerrufenen Erben, und
- der Erwerb der Erbschaft blieb vollständig aus.
Die Erbschaftsteuererklärung hat deklaratorischen Charakter – sie begründet keine Steuerpflicht, wenn der materielle Tatbestand fehlt.
Das Gericht beruft sich zudem auf Artikel 53 der italienischen Verfassung, wonach „alle entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben beitragen müssen“.
Fehlt ein Vermögenszuwachs, kann keine Besteuerung stattfinden.
Position der Steuerverwaltung: Konkludente Annahme und Vermutung der Wirksamkeit
Die Agenzia delle Entrate argumentierte vor Gericht, dass:
- die Einreichung der Erbschaftsteuererklärung, kombiniert mit der gerichtlichen Geltendmachung der Erbenstellung, eine konkludente Annahme der Erbschaft darstelle,
- und dass dies für die Besteuerung ausreichend sei – auch wenn sich das Erbrecht später durch Testamentswiderruf als nichtig erweise.
Der Kassationsgerichtshof wies dieses Argument zurück und stellte klar: „Der Steuerpflichtige hat zwar eine Erklärung abgegeben, aber nie die Rechtsstellung als Erbe erworben, da das zugrunde liegende Testament von Anfang an unwirksam war”.
Widerruf eines Testaments: Zivilrechtliche und steuerliche Wirkung
Im Zivilrecht kann ein Testament:
- ausdrücklich widerrufen werden ( 679 ZGB), oder
- konkludent, wenn ein neues Testament inhaltlich unvereinbare Bestimmungen enthält ( 682 ZGB).
Der Widerruf hat eine rückwirkende Aufhebung der früheren Bestimmungen zur Folge:
- sie entfalten keine Rechtswirkungen mehr,
- und können keine Erbenstellung mehr begründen.
Steuerlich bedeutet dies:
- es liegt kein steuerpflichtiger Erwerb des ursprünglich eingesetzten Erben mehr vor,
- und der steuerliche Tatbestand ist nicht erfüllt.
Praktische Folgen: Neue Erklärung und neuer Steuerpflichtiger
Das Gericht stellte klar, dass die Steuer gegebenenfalls von:
- dem neuen testamentarischen Erben,
- nach Annahme der Erbschaft,
- mittels neuer Erbschaftsteuererklärung, erhoben werden kann.
Konkret bedeutet das:
- die zuerst eingesetzte Person verliert ihre Erbenstellung,
- die von ihr eingereichte Erklärung entfaltet keine steuerliche Wirkung,
- und die Besteuerung erfolgt zugunsten des tatsächlichen Erben, auf Grundlage der Vermögenslage zum Zeitpunkt des Erbfalls.
Fazit: Beachtung des Legalitätsprinzips und der Leistungsfähigkeit
Dieses Urteil hat über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
Es betont, dass die Steuerpflicht nur bei:
- einem tatsächlichen Vermögenszuwachs,
- einer wirksamen letztwilligen Verfügung,
- und einer rechtlich bestehenden Erbenstellung entstehen kann.
Es handelt sich um eine schutzorientierte Entscheidung, die das Legalitätsprinzip und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ins Zentrum rückt.
Das Urteil Nr. 14063/2025 stellt klar: Eine Erbschaftsteuer ist nicht geschuldet, wenn die Erbschaft nie wirksam erworben wurde.
Ein (ausdrücklicher oder konkludenter) Widerruf des Testaments beseitigt rückwirkend die Erbenstellung und verhindert das Entstehen der Steuerpflicht.
Ein ebenso einfacher wie fundamentaler Grundsatz für eine korrekte Anwendung der Besteuerung und den Schutz der Steuerpflichtigen.
Angesichts der Komplexität des Themas empfiehlt es sich, qualifizierte Fachleute wie die von der Agenzia delle Successioni zu konsultieren, um Fehler und unnötige Steuerbelastungen zu vermeiden.
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